zur Schlagwortwolke
Zwei Blätter einer historischen Handschrift

Laatzens erste Dorfordnung

Archivfund Februar 2021

„Wann auch mutwilligerweise jemants einem andern seinen Zaun fur Wiesschen oder Lande auffreisse und über seine Wiesche oder Landt ohne seine Bewilligung fuhren würde, der soll den Nachbarn im Dorff eine Tonnen Breihanen zur Straff gebenn.“

Wir starten unsere Reihe „Archivale des Monats“ mit einem der ältesten Schriftstücke des Stadtarchivs Laatzen. Die Verordnung für die Dorfschaft Laatzen ist auf den 26. März 1589 datiert. Dieses spannende Stück Ortsgeschichte umfasst 24 Verordnungen, die der Ortschaft vorgelesen wurden und an die sich jede Einwohnerin und jeder Einwohner zu halten hatte. Das einleitende Zitat beschreibt eine dieser Verordnungen, die den ältesten Beleg für das Ortsrecht in der Ortschaft Laatzen darstellen.

Das fünfseitige Schriftstück gibt uns einen Einblick in den Alltag der Laatzener Bevölkerung im späten 16. Jahrhundert. Dieser Alltag war stark von der bäuerlichen und ländlichen Struktur des Dorfes geprägt, wie auch in den Verordnungen deutlich wird. Da hier vor allem Verbote mit teils empfindlichen Strafen ausgesprochen wurden, deutet einiges darauf hin, dass die beschriebenen Vergehen zuvor häufig vorkamen und großen Schaden anrichteten oder zu Streit innerhalb der Dorfgemeinschaft führten. So betrafen die zu sanktionierenden Delikte etwa illegale Feuerstätten in den Hütten, Diebstahl von Holz, Gemüseklau aus fremden Gärten oder Weizen auflesen auf dem Kronsberg. Die Buße war vom Täter entweder an den Geschädigten, die Dorfschaft oder die Obrigkeit zu zahlen. Typische Strafsätze waren zwei Gulden oder zehn Mariengroschen.

Allerdings war nicht jede Bußgebühr in Form von Geld zu entrichten. Die eingangs zitierte und in der Verordnung Nr. 19 festgelegte Strafe mutet aus heutiger Sicht recht kurios an. Bei „Breihan“ (regional abweichende Schreibweise von „Broyhan“) handelt es sich um eine historische Biersorte. Der Name dieses Weißbieres geht auf den Braumeister Cord Broyhan zurück, der sein „Broyhan-Bier“ etwa 65 Jahre vor Verkündigung der hier vorgestellten Verordnung zu einem Exportschlager der Stadt Hannover machte. Die Dorfgemeinschaft der Ortschaft Laatzen konnte sich also immer über eine Tonne1 „Freibier“ freuen, wenn sich jemand über das Betretungsverbot bei eingezäunten landwirtschaftlichen Flächen hinwegsetzte und dabei erwischt wurde.


1 Da die im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gebräuchlichen Maße und Gewichte stark nach Epoche und Region differierten, können wir davon ausgehen, dass diese „Tonne“ aus dem Jahr 1589 nicht der heute üblichen Maßeinheit von 1000 Kilogramm entspricht.

  • Die Zeitkapsel im Grundstein des Erich Kästner-Schulzentrums

    Am 4. Oktober 1977 wurde der Grundstein für „das größte Bauprojekt der Stadt Laatzen“ gelegt – so titelte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ am 6. Oktober 1977. Und das zweite Schulzentrum der Stadt ...
    [mehr]

  • Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg

    „Herr Gemeindedirektor, ich bitte nochmals höflichst darum, uns beiden alten Menschen die schweren Leiden und Entbehrungen zu erleichtern.“ In unserem Archivale des Monats November haben wir bereits gesehen, dass die Probleme des ...
    [mehr]

  • Entschädigungen für abgetretenes Land wegen Eisenbahnbau

    oder „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“

    „Auf Antrag der Königlichen Eisenbahn-Direction zu Hannover werden alle diejenigen, welche Ansprüche an die Entschädigungsgelder für die innerhalb der Feldmark Lazen […] behuf der Südbahn abgetretenen ...
    [mehr]

  • Kommunale Armenfürsorge nach dem Zweiten Weltkrieg

    „Unterzeichnete sind Flüchtlinge aus Schlesien und dort haben uns die Polen unser ganzes Hab u. Gut geraubt und geplündert, auch unsere Wertsachen, Uhren und unser ganzes Barvermögen haben sie uns gewaltsam entrissen, ...
    [mehr]

  • Erfassung von Kriegspotential in Rethen

    Akte aus dem Bestand Rethen „Angelegenheiten der Militärregierung“

    „Sie werden hiermit beauftragt, eine genaue Meldung über sämtliches Kriegsmaterial in Ihrem Gebiet abzugeben.“ Als die deutsche Wehrmacht kapitulierte und der NS-Staat endgültig zusammenbrach, kam die „Stunde ...
    [mehr]

  • Statut der Ortskrankenkasse des Landkreises Hannover

    Einführung der gesetzlichen Krankenkassen

    „Die Kasse gewährt ihren Mitgliedern a.    eine Krankenunterstützung nach Maßgabe der § 13 bis 17, b.    eine Wöchnerinnen-Unterstützung nach Maßgabe des § 18, ...
    [mehr]

  • Gesetze für Raucher nichts Neues!

    „Das Rauchen von Cigarren innerhalb des Orts ist nur in den Wohnstuben und auf den Straßen gestattet.“

    Schon 1859 unter Georg V. – dem letzten König von Hannover – gab es eine Vorlage für ein Gesetz zur Regelung des Rauchens. Danach durften Pfeifen ohne Deckel sowie Zigarren (Zigaretten gab es noch nicht) nur im Freien oder in ...
    [mehr]

  • Berechtigung zum Brauen von Hausbier

    Das Brauwesen im 19. Jahrhundert

    „Diesem tritt hinzu, daß die in Rede stehenden Hofbesitzer das Hausbier auch an Arbeiter verabfolgen, die nicht zu ihrem Hausstande gehören, was mit dem vorhin angeführten § 12 insofern unverträglich erscheint, als ...
    [mehr]

  • Die Besichtigung der Leine durch den Wasserbauinspektor

    Hochwasserschutz im 19. Jahrhundert

    „ebenso hat Vollmeier Kelb zu Lazen die angedrohete Strafe von 5 rtr [Reichstaler] zu erlegen, da derselbe die […] aufgegebene Uferbesserung nicht gemacht hatte, zumal die Gemeinde Lazen dadurch an der ausführung ihrer ...
    [mehr]

  • Eine Auseinandersetzung des Braumeisters Böhme mit der Gemeinde Laatzen – oder: „Das Leiden der Pfanne“

    Archivfund April 2021

    „Aller dieser Reparaturen ohnerachtet war dem Übel, ‚das Leiden der Pfanne‘, nicht abgeholfen und dauerte unaufhörlich bis in diesem Jahre 1829 fort, wo es sich denn endlich die Gemeinde angelegen seyn ließ, die ...
    [mehr]