Ausgliederung von Gebietsteilen der Stadt Laatzen nach Hannover
„Durch die Ausgliederung des Messegeländes und die in ihrem Bereich liegenden gewerblichen Einrichtungen wird der Stadt Laatzen das Kernstück ihrer finanziellen Kraft genommen. Bei ersatzlosem Wegfall des Steueraufkommens wird die Stadt Laatzen in ihrem Fortbestand ernstlich gefährdet“
Nicht nur die befürchtete Eingemeindung Laatzens in die Landeshauptstadt Hannover, mit der wir uns bei einem vergangenen Archivfund des Monats beschäftigt haben, bewegte die Laatzener Politiker in den 1960er und frühen 1970er Jahren. Denn auch wenn die Eingemeindung Laatzens in die benachbarte Großstadt nach dem Zusammenschluss mit Grasdorf 1964 erst einmal vom Tisch war, so war die Ausgliederung von Laatzener Gebietsteilen nach Hannover immer noch ein Thema. Die Landeshauptstadt bemühte sich seit Bestehen der Hannover-Messe im Jahre 1947 um die Eingliederung des Messegeländes nach Hannover. Im ersten Antrag vom 30.8.1948 argumentierte Hannover mit dem öffentlichen Wohl: „Veranstaltungen künftiger Exportmessen im Interesse der gesamtdeutschen Wirtschaft dürfen nicht gefährdet werden; künftige Exportmessen ohne eine höchst wirksame Beteiligung und Mitarbeit der Stadt Hannover werden unmöglich sein; Laatzen ist nicht imstande, auch nicht mit Hilfe des Landkreises Hannover, diese Beteiligung und Mitarbeit anstelle der Stadt Hannover zu übernehmen“. Dem Antrag wurde nicht entsprochen. Ein erneuter Versuch zwei Jahre später scheiterte ebenso. Laatzen investierte in den folgenden Jahren viel in die Messe und hatte so die Argumente auf seiner Seite. 1954 etwa wurde fast 80% des städtischen Vermögensetats in die Erweiterung der Messeparkplätze hineingesteckt. Für den langjährigen Stadtdirektor Erich Panitz war der Kampf um Messe und Kronsberg eine Art Lebenswerk. In zahlreichen messebegleitenden Gremien machte er seinen Einfluss geltend. Dabei wies er immer wieder darauf hin, dass die Hannover Messe keine Einrichtung der Stadt Hannover, sondern eine privatrechtliche AG sei. Zudem könne Hannover die Messe ohne Unterstützung des Großraums Hannover und des Landes Niedersachsen weder alleine tragen noch verwalten.
Der Entwurf eines Gesetzes über die kommunale Neugliederung im Raum Hannover brachte das Thema wieder auf die Tagesordnung. Denn Artikel I §1 des Gesetzesentwurfes sah u.a. die Eingliederung des im Stadtgebiet Laatzen liegenden Geländes der Hannover-Messe nach Hannover vor. In einer Stellungnahme der Stadt Laatzen vom 6.9.1973 wurden die zentralen Argumente gegen eine Ausgliederung aufgeführt. Demnach sei „die Entwicklung der Hannover-Messe […] seit ihrer Gründung im Jahre 1947 im Gegensatz zu Behauptungen der Stadt Hannover zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen“. Belegt wurde dies mit Zahlen aus dem Geschäftsbericht der Messe-AG. Laatzen habe für die Messe seit ihrem Bestehen erhebliche, insbesondere finanzielle, Leistungen erbringen müssen, um die ausreichende Verkehrserschließung sowie Versorgung des Messegeländes sicherzustellen.
Neben der Messe ging es auch um das Gebiet des zu Laatzen gehörenden Kronsberges. Hannover kokettierte mit einer Wohnbebauung des Kronsberges, um den steigenden Wohnraumbedarf zu decken. Eine Ausgliederung des Süd-Kronsberges würde die zentralen Einrichtungen der Stadt Laatzen – Leine-Einkaufszentrum, Rathaus einschließlich Bürgerhaus sowie Schulzentren – in eine Randlage bringen, so die Befürchtung der Laatzener. In ihrem Schlussplädoyer führt die Stadt die Konsequenzen einer Ausgliederung von Gebietsteilen vor Augen: Der entstehende Steuerausfall würde „einseitig zu Lasten der Laatzener Bürger gehen“, die Weiterentwicklung des Nebenzentrums Laatzen wäre gefährdet und „die Existenz der Stadt ernsthaft bedroht“. Dies würde „den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung antasten“. Fazit: „Eine weitere Schmälerung der Finanzkraft durch Ausgliederung des steuerintensivsten Bereiches der Stadt führt unweigerlich zum Finanzkollaps“.
Lange Jahre währte sich Laatzen tapfer gegen die Übernahme des Messegeländes durch die Landeshauptstadt – letztlich half alles nichts. Die angesprochenen Gebietsteile wurden 1974 im Rahmen der Gebietsreform an Hannover ausgegliedert. Insbesondere der Verlust des Messegeländes wirkte sich finanziell schmerzhaft aus. Verwaltungsexperten bezifferten den Einnahmeverlust aus Steuern, Gebühren und Beiträgen auf jährlich drei Millionen Mark.